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Konkrete Handlungen: Gewalt gegen Frauen muss aufhören!

20.10.2023 - Artikel

Namensartikel Botschafter Dr. Thomas Fitschen

Die jüngsten Fälle von Gewalt gegen Frauen in BiH haben eine Welle der Empörung nach sich gezogen und die Frage aufgeworfen, was getan werden kann, um Gewalt gegen Frauen zu beenden. Die rechtlichen Instrumente sind vorhanden: So wurden in BiH zur Umsetzung der Istanbul-Konvention verschiedene Aktionspläne und Richtlinien zum besseren Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt erlassen. Zudem stellt häusliche Gewalt in der FBiH seit 2003 und in der RS seit 2000 eine Straftat dar. Auch Vergewaltigung in der Ehe ist ein Straftatbestand. Die praktische Umsetzung bleibt allerdings hinter den rechtlichen Möglichkeiten zurück, denn Gesetze sind nur so effektiv, wie deren gesellschaftliche und behördliche Anerkennung.

Das Lagebild zu geschlechter-basierter Gewalt in Bosnien und Herzegowina ist alarmierend - jede zweite Frau in BiH erfährt dies mindestens einmal in ihrem Leben am eigenen Leib. Gewalt gegen Frauen ist kein Einzelfall; im Gegenteil, sie ist fester Bestandteil des Alltags geworden. Gleichwohl wird die Gewalt in den eigenen vier Wänden überwiegend als private Angelegenheit angesehen, häufig verschwiegen und teilweise sogar sozial akzeptiert. Aus diesem Grund erstatten viele Betroffene gar keine Anzeige, sodass lediglich zehn Prozent der Fälle der Polizei gemeldet wird. Wagt eine Frau den mutigen Schritt und erstattet Strafanzeige, begegnet sie oft fehlender Ernsthaftigkeit auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden.

Die Regierung hat nun einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht, indem sie mit mehreren NGOs Finanzhilfen zur Unterstützung von Frauenhäusern für Betroffene häuslicher Gewalt vereinbarte. Auch internationale Partner stehen bereit, um BiH aktiv bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zu helfen und zusätzliche Mechanismen zum Schutz der Opfer zu etablieren.

Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, durch die Förderung verschiedener Projekte in diesem Bereich ein Bewusstsein für die Rechte von Frauen zu schaffen und diese dadurch besser vor Gewalt zu schützen. Wir wollen betroffene Frauen nicht alleine lassen, sondern durch Unterstützung von Frauenorganisationen und Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern ihre Rechte stärken. Uns ist dabei besonders wichtig, mit unseren Projekten einen multidimensionalen Ansatz zu verfolgen. So wollen wir einerseits den Umgang mit (sexualisierter) Gewalt auf der institutionellen Seite verbessern, als auch Überlebende unterstützen. Teil unserer Präventionsarbeit ist daher u.a. die verstärkte Aus- und Fortbildung der Polizei. Mit unserem Projektpartner „The Atlantic Initiative“ haben wir genau dieses Thema in den Blick genommen. Es wurden zwei Schulungsprogramme zum polizeilichen Vorgehen in Fällen sexueller Gewalt entwickelt und umgesetzt. Ziel ist es, dass Wissen der Polizeibeamten zu erweitern, welche Rechte Betroffenen zustehen sowie über das Verfahren, nach einer Intervention oder nachdem eine Anzeige erstattet wird. Darüber hinaus arbeiten wir mit den Polizeibeamten an der Stärkung eines sensibilisierten Ansatzes und des Verständnisses für die psychischen Auswirkungen sexualisierter Gewalt. Die Polizeibeamten lernen durch Schulungen wie sie mit den Opfern entsprechend kommunizieren und sie befragen können, ohne die Opfer zusätzlich zu viktimisieren“, erklärt „The Atlantic Initiative“. Die Polizei nehme eine besonders hervorgehobene Rolle ein, da sie die erste Anlaufstelle für Betroffene von Gewalt sei, aber von ihr auch die Gefahr einer weiteren Viktimisierung ausgehe. „The Atlantic Initiative“ hat sich zum Ziel gesetzt, „eine sicherere und gerechtere Gesellschaft für alle zu schaffen, in der Gewalt gegen Frauen eindeutig verurteilt wird und den Überlebenden Schutz, Mitgefühl, Verständnis, und Unterstützung gewährleistet werden.“ Ein Ziel, dem die deutsche Botschaft sich vollumfänglich anschließt. Denn die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen sehen wir als gesamtgesellschaftliche Verpflichtung an.

Mit dem Projektpartner „Academy for Women“ konnten wir unsere Strategie der Prävention in Form der Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung weiter umsetzen und den multidimensionalen Ansatz weiterverfolgen. Teil des Projektes war u.a. die Herstellung von Aufklärungspostern, die als Art Wegweiser für Überlebende von sexualisierter Gewalt fungieren und den Betroffenen Schritt für Schritt darstellen, wie sie im Falle einer Vergewaltigung oder im Falle sexualisierter Gewalt am besten vorgehen. Das Poster wurde mehreren Institutionen, Schulen und Polizeibehörden im Kanton Sarajewo zur Verfügung gestellt. Obwohl Frauen 50,9 % der BIH-Bevölkerung darstellen, sind sie jedoch faktisch eine Minderheit, da sie „weder die gleichen Rechte genießen, noch gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft sind,“ betont die Geschäftsführerin der „Academy for Women“ Maja Gasal. Angesichts der gesellschaftlichen Akzeptanz von gewalttätigen Verhalten und von Täter-Opfer-Umkehr appelliert sie an die Selbstreflexion der Menschen: „Jede Person sollte bei sich selbst beginnen und sich fragen, ob sie wirklich möchte, dass die eigene Mutter, Schwester, Großmutter, Tante oder Freundin Opfer von Gewalt wird; gleichzeitig sollte sich jede Person die Frage stellen, ob sie möchte, dass der eigene Vater, Sohn, Großvater, Bruder, Onkel oder Freund Gewalt gegen Frauen ausübt.“ Maja Gasal ist davon überzeugt, dass die meisten Menschen sich gegen Gewalt aussprechen würden und keine gewalttätigen Personen in ihrem näheren Umfeld haben möchten. Es muss deutlich werden, dass Gewalt gegen Frauen kein privates, sondern ein gesellschaftliches Problem ist.

Das Engagement der deutschen Botschaft wird auch in der kommenden Zeit selbstverständlich nicht aufhören. Wir werden weiterhin durch verschiedene Projekte alle Hebel in Bewegung setzen, um die Rechte von Frauen in BiH zu stärken. Gleichzeitig werden wir auf die verantwortlichen Institutionen einwirken, ihre Arbeit zum Schutz von Frauen zu tun. Denn eines ist uns bewusst: Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das nur gesamtgesellschaftlich angegangen werden kann.

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